Das Gebiss

Originalbild: © by Oliver Matla
Das Gebiss des Wolfs ist perfekt an seine Rolle als Jäger angepasst. Bei der Jagd kommen primär die Fangzähne zum Einsatz. Diese bohren sich tief ins Fleisch der Beute, was schließlich zum Erstickungstod des Opfers führt.
Um Fleischstücke aus der Beute zu reißen, nutzt der Wolf seine Schneide- und Reißzähne. Die Backenzähne dienen dazu, Fleischfetzen regelrecht zu zermalmen – selbst Knochen stellen für sie kein Hindernis dar. Es ist wichtig zu wissen, dass der Wolf seine Nahrung nicht kaut, sondern die Fleischstücke im Ganzen verschlingt.
Ein Wolf kann mit seinem Gebiss eine beeindruckende Kraft von etwa 61 Kilogramm pro Quadratzentimeter ausüben, wobei die Reißzähne die größte Kraft entwickeln.
Wolfswelpen kommen bereits mit Milchzähnen zur Welt, die jedoch erst nach etwa drei Wochen durchbrechen. Ihr permanentes Gebiss entwickeln junge Wölfe im Alter von circa fünf bis acht Monaten.
Zahnformel & Spezialisierung:
- Dauergebiss: 42 Zähne (obere Reihe: 3I-1C-4P-2M / untere Reihe: 3I-1C-4P-3M)
(I = Incisivi/Schneidezähne, C = Canini/Fangzähne, P = Prämolaren/Vorderbackenzähne, M = Molaren/Backenzähne) - Schlüsselanpassung: Das Carnassial-Paar (P4 im Oberkiefer + M1 im Unterkiefer) fungiert als "Fleischschere" (Reißzähne) – diese Zähne sind verlängert, scharfkantig und greifen wie eine Guillotine ineinander.

Originalbild:
© by San Diego Zoo / Wild Animal Park
Grün: Schneidezähne (12)
Gelb: Fangzähne (4)
Blau: Vorderbackenzähne (16)
Rot: Backenzähne (10)
Funktionale Differenzierung:
Zahntyp | Funktion | Besonderheit |
---|---|---|
Fangzähne | Bohren sich 2–3 cm tief in Beute (Halsschlagader/Trachea) | Krümmung ermöglicht Hebelwirkung beim Zupacken; Länge: bis 5 cm (inkl. Wurzel) |
Reißzähne (P1) | Initiieren das Aufreißen der Haut | Oberer P1 fehlt bei Hunden – wolfsspezifisches Merkmal |
Carnassialzähne | Zerschneiden Sehnen/Knorpel (80% der "Kauarbeit") | Schneidkante generiert ca. 600 N/cm² Druck lokal (≈ 61 kg/cm²) |
Molare (M2/M3) | Zermalmen von Knochen | Flächenpressung die selbst Röhrenknochen zerbricht |
Incisivi | Abnagen von Fleischresten, Fellpflege, Sozialverhalten (z.B. Jungtiertransport) | Pinzettenartige Präzision zum Ablösen von Sehnen |
Entwicklung & Pathologien:
- Milchgebiss:
- 28–32 Zähne
- Canini brechen mit 14–21 Tagen durch
- Zahnwechsel:
- Milchcanini fallen mit 16–24 Wochen aus
- Carnassialzähne erscheinen mit 5–6 Monaten
- Vollständiges Adultgebiss mit ca. 8 Monaten
- Abnutzung:
- Ältere Wölfe (>8 Jahre) zeigen Carnassial-Abflachung → reduziert Jagderfolg und führt oft zum Verhungern.
- Zahnstein an Caninen durch Knochenkontakt → dient in der Populationsforschung als Altersindikator.
Vergleich zu Hunden:
- Größere Carnassialzähne: 15% länger als bei gleich großen Hunderassen.
- Robustere Molare: 30% massivere Zahnwurzeln für Knochenzerkleinerung.
- Prämolaren-Reihe: Enger stehend → erhöht Effizienz beim Fleischschneiden.
- Kürzere Diastemata: Keine Lücken zwischen Backenzähnen → bessere Kraftübertragung.
Ökologische Bedeutung:
- Nahrungsverwertung: Knochenzerkleinerung liefert Kalzium/Phosphor → essentiel bei mageren Wintern.
- Aasverwertung: Gebiss ermöglicht Nutzung tiefgefrorener Kadaver (bricht Eis um Fleisch).
- Rudeldynamik: Ältere Wölfe mit abgenutztem Gebiss übernehmen Aufsicht der Welpen → Ressourcenteilung sichert Gruppenüberleben.